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ÜBER SINN UND BEDEUTUNG, von Gottlob Frege

Auszug von : http://sammelpunkt.philo

ZEITSCHRIFT FÜR PHILOSOPHIE UND PHILOSOPHISCHE KRITIK
Im Verein mit mehreren Gelehrten vormals herausgegeben
von. Dr. J. H. Fichte und Dr. H. Ulrici,
redigiert von
Dr. Richard Falckenberg,
Professor der Philosophie in Erlangen.
Neue Folge
Hundertster Band.

Leipzig
Verlag von C.E.M. Pfeffer
1892

Seite 25

ÜBER SINN UND BEDEUTUNG.
Von
G. Frege

Die Gleichheit*1* fordert das Nachdenken heraus durch Fragen, die sich daran knüpfen und nicht ganz leicht zu beantworten sind. Ist sie eine Beziehung? eine Beziehung zwischen Gegenständen? oder zwischen Namen oder Zeichen für Gegenstände? Das letzte hatte ich in meiner Begriffsschrift angenommen. Die Gründe, die dafür zu
sprechen scheinen, sind folgende: a=a und a=b sind offenbar Sätze von verschiedenem Erkenntniswerte: a=a gilt a priori und ist nach Kant analytisch zu nennen, während Sätze von der Form a=b oft sehr wertvolle Erweiterungen unserer Erkenntnis enthalten und a priori nicht immer zu begründen sind. Die Entdeckung, daß nicht jeden Morgen eine neue Sonne aufgeht, sondern immer dieselbe, ist wohl eine der folgenreichsten in der Astronomie gewesen. Noch jetzt ist die Wiedererkennung eines kleinen Planeten oder eines Kometen nicht immer etwas Selbst-

*1*
Ich brauche dies Wort im Sinne von Identität und verstehe « a=b » in dem Sinne von « a ist dasselbe wie b » oder « a und b fallen zusammen. »

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verständliches. Wenn wir nun in der Gleichheit eine Beziehung zwischen dem sehe wollten, was die Namen « a » und b » bedeuten, so schiene a=b von a=a nicht verschieden sein zu können, falls nämlich a=b wahr ist. Es wäre hiermit eine Beziehung eines Dinges zu sich selbst ausgedrückt, und zwar eine solche, in der jedes Ding mit sich selbst, aber kein Ding mit einem andern steht. Was man mit a=b sagen will, scheint zu sein, daß die Zeichen oder Namen « a » und « b » dasselbe bedeuten, und dann wäre eben von jenen Zeichen die Rede; es würde eine Beziehung zwischen ihnenbehauptet.

Aber diese Beziehung bestände zwischen den Namen oder Zeichen nur, insofern sie etwas benennen oder bezeichnen. Sie wäre eine vermittelte durch die Verknüpfung jedes der beiden Zeichen mit demselben Bezeichneten. Diese aber ist willkürlich. Man kann keinem verbieten, irgendeinen willkürlich hervorzubringenden Vorgang oder Gegenstand zum Zeichen für irgend etwas anzunehmen. Damit würde dann ein Satz a=b nicht mehr die Sache selbst sondern nur noch unsere Bezeichnungsweise betreffen; wir würden keine eigentliche Erkenntnis darin ausdrücken. Das wollen wir aber doch grade in vielen Fällen. Wenn sich das Zeichen « a » von dem Zeichen « b » nur als Gegenstand (hier durch die Gestalt) unterscheidet, nicht als Zeichen; das soll heißen: nicht in der Weise, wie es
etwas bezeichnet: so würde der Erkenntniswerth von a=a wesentlich gleich dem von a=b sein, falls a=b wahr ist. Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustande kommen, daß der Unterschied des Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht. Es seien a, b, c die Geraden, welche die Ecken eines
Dreiecks mit den Mitten der Gegenseiten verbinden.

Der Schnittpunkt von a und b ist dann derselbe wie der Schnittpunkt von b und c. Wir haben also verschiedene Bezeichnungen für denselben Punkt, und diese Namen (« Schnittpunkt von a und b », « Schnittpunkt von b und c ») deuten zugleich auf die Art des Gegebenseins, und daher ist in dem Satze eine wirkliche Erkenntnis enthalten.

Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung (des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist. Es würde danach in unserem Beispiele zwar die

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Bedeutung der Ausdrücke « der Schnittpunkt von a und b » und « der Schnittpunkt von b und c » dieselbe sein, aber nicht ihr Sinn. Es würde die Bedeutung von « Abendstern » und « Morgenstern » dieselbe
sein, aber nicht der Sinn.

Aus dem Zusammenhange geht hervor, daß ich hier unter Zeichen » und « Namen » irgendeine Bezeichnung verstanden habe, die einen Eigennamen vertritt, deren Bedeutung also ein bestimmter Gegenstand ist (dies Wort im weitesten Umfange genommen), aber kein Begriff und keine Beziehung, auf die in einem anderen Aufsatze näher eingegangen werden soll. Die Bezeichnung eines einzelnen Gegenstandes kann auch aus mehreren Worten oder
sonstigen Zeichen bestehen. Der Kürze wegen mag jede solche Bezeichnung Eigenname genannt werden.

Der Sinn eines Eigennamens wird von jedem erfaßt, der die Sprache oder das Ganze von Bezeichnnngen hinreichend kennt, der er angehört*1*; damit ist die Bedeutung aber, falls sie vorhanden ist, doch immer nur einseitig beleuchtet. Zu einer allseitigen Erkenntniß der Bedeutung würde gehören, daß wir von jedem
gegebenen Sinne sogleich angeben könnten, ob er zu ihr gehöre.
Dahin gelangen wir nie.

Die regelmäßige Verknüpfung zwischen dem Zeichen, dessen Sinn und dessen Bedeutung ist der Art, daß dem Zeichen ein bestimmter Sinn und diesem wieder eine bestimmte Bedeutung entspricht, während zu einer Bedeutung (einem Gegenstande) nicht nur ein Zeichen zugehört. Derselbe Sinn hat in verschiedenen Sprachen, ja auch in derselben verschiedene Ausdrücke. Freilich kommen Ausnahmen von diesem regelmäßigen Verhalten vor. Gewiß sollte in einem vollkommenen Ganzen von Zeichen jedem Ausdrucke ein bestimmter Sinn entsprechen; aber die Volkssprachen

*1*
Bei einem eigentlichen Eigennamen wie « Aristoteles » können freilich die Meinungen über den Sinn auseinander gehen. Man könnte z.B. als solchen annehmen: der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer dies thut, wird mit dem Satze « Aristoteles war aus Stagira gebürtig » einen anderen Sinn verbinden als einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen. Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen sich diese Schwankungen des Sinnes ertragen, wiewohl auch sie in dem Lehrgebäude einer
beweisenden Wissenschaft zu vermeiden sind und in einer vollkommenen Sprache nicht vorkommen dürften.

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erfüllen diese Forderung vielfach nicht, und man muß zufrieden sein, wenn nur in demselben Zusammenhange dasselbe Wort immer denselben Sinn hat. Vielleicht kann man zugeben, daß ein grammatisch richtig gebildeter Ausdruck, der für einen Eigennamen steht, immer einen Sinn habe. Aber ob dem Sinne nun auch eine Bedeutung entspreche, ist damit nicht gesagt. Die Worte « der von der Erde am weitesten entfernte Himmelskörper » haben einen Sinn; ob sie aber auch eine Bedeutung haben, ist sehr zweifelhaft. Der Ausdruck « die am wenigsten convergente Reihe » hat einen Sinn; aber man beweist, daß er keine Bedeutung hat, da man zu jeder convergenten Reihe eine weniger convergente, aber immer noch convergente finden kann. Dadurch also, daß man einen Sinn auffaßt,
hat man noch nicht mit Sicherheit eine Bedeutung.

Wenn man in der gewöhnlichen Weise Worte gebraucht, so ist das, wovon man sprechen will, deren Bedeutung. Es kann aber auch vorkommen, daß man von den Worten selbst oder von ihrem Sinne reden will. Jenes geschieht z.B., wenn man die Worte eines Andern in gerader Rede anführt. Die eigenen Worte bedeuten dann zunächst die Worte des Andern, und erst diese haben die gewöhnliche Bedeutung. Wir haben dann Zeichen von Zeichen. In der Schrift
schließt man in diesem Falle die Wortbilder in Anführungszeichen ein. Es darf also ein in Anführungszeichen stehendes Wortbild nicht in der gewöhnlichen Bedeutung genommen werden.

Wenn man von dem Sinne eines Ausdrucks ,A’ reden will so kann man dies einfach durch die Wendung « der Sinn des Ausdrucks ,A' ». In der ungeraden Rede spricht man von dem Sinne z. B. der Rede eines Andern. Es ist daraus klar, daß auch in dieser Redeweise die Worte nicht ihre gewöhnliche Bedeutung haben, sondern das bedeuten, was
gewöhnlich ihr Sinn ist. Um einen kurzen Ausdruck zu haben, wollen wir sagen: die Wörter werden in der ungeraden Rede UNGERADE gebraucht, oder haben ihre UNGERADE Bedeutung. Wir unterscheiden demnach die GEWÖHNLICHE Bedeutung eines Wortes von seiner UNGERADEN und seinen GEWÖHNLICHEN Sinn von seinem UNGERADEN Sinne.
Die ungerade Bedeutung eines Wortes ist also sein gewöhnlicher Sinn. Solche Ausnahmen muß man immer im Auge behalten, wenn man die Verknüpfungsweise von Zeichen, Sinn und Bedeutung im einzelnen Falle richtig auffassen will.

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